mTOR in Bewegung
mTORC1 wird je nach Standort in der Zelle anders reguliert
Weniger essen, intermittierendes Fasten, Anti-Aging-Medikamente wie Rapamycin - die öffentlichen Ratschläge zur Vorbeugung altersbedingter Krankheiten sind zahlreich. Ein zentraler Regulator, der bei all diesen Maßnahmen eine Rolle zu spielen scheint, ist ein Proteinkomplex namens mTORC1, der in unseren Zellen sowohl als Sensor für die Verfügbarkeit von Nährstoffen dient als auch die meisten Zellfunktionen steuert. Eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln hat nun erstmals gezeigt, dass mTORC1 an verschiedenen Stellen in der Zelle unterschiedlich funktioniert. Die neuen Erkenntnisse erweitern unser Verständnis darüber, wie mTORC1 durch Nährstoffe aktiviert wird und könnten dazu beitragen, neue, gezieltere Therapien gegen das Altern und altersbedingte Krankheiten zu entwickeln.
Der mTOR-Komplex 1 (mechanistic Target of Rapamycin complex 1, kurz "mTORC1") ist der zentrale Bestandteil eines Proteinnetzwerkes, das erkennt, ob eine Zelle Zugang zu ausreichend Nährstoffen hat. Es sorgt dafür, dass eine Zelle nur dann wächst, wenn Nährstoffe im Überfluss vorhanden sind und alle anderen Bedingungen optimal sind. Da mTORC1 praktisch alle zellulären Prozesse steuert, ist seine Aktivität bei den meisten menschlichen Krankheiten und während des Alterns häufig gestört.
Altes Modell überholt
Zellen nehmen Nährstoffe wie Aminosäuren aus ihrer Umgebung auf (exogene Aminosäuren) oder bauen beschädigtes oder nicht mehr benötigtes Zellmaterial in vakuolären Organellen, den Lysosomen, ab. Diese "recycelten" Nährstoffe (endogene Aminosäuren) werden dann an den Rest der Zelle abgegeben und als Bausteine oder Energieträger wiederverwendet. Wie und wo Nährstoffe mTORC1 aktivieren und wie dieser Komplex zelluläre Funktionen steuert, die an verschiedenen Orten in der Zelle ablaufen, ist trotz intensiver Forschung seit mehr als 15 Jahren ein Rätsel. Das weithin akzeptierte Modell auf diesem Gebiet besagt, dass mTORC1 ausschließlich in Lysosomen durch exogene Aminosäuren aktiviert wird, während es inaktiv wird, wenn es die Oberfläche dieser Organellen verlässt.
"Obwohl dieses Modell ausreichend erklärt, wie mTORC1 auf Lysosomen aktiviert wird, wirft es gleichzeitig eine Reihe offener Fragen auf: Wenn mTORC1 zum Beispiel nur aktiv ist, wenn es auf Lysosomen sitzt, wie wirkt es dann auf seine verschiedenen Ziele, von denen die meisten an verschiedenen Orten in der Zelle lokalisiert sind? Außerdem stellt sich die Frage, warum Zellen eine molekulare Maschinerie entwickelt haben sollten, um exogene Aminosäuren auf der Oberfläche von Organellen wie Lysosomen zu erkennen", sagt Constantinos Demetriades, der die Studie leitete.
Los gehts, mTOR!
Die Forschenden konnten nun zeigen, dass aktives mTORC1 nicht nur in Lysosomen vorkommt, sondern auch an vielen anderen Orten in der Zelle, etwa im Zytoplasma und im Golgi-Apparat. An jedem dieser Orte wirkt mTORC1 auf seine verschiedenen Substrate ein, um unterschiedliche Zellfunktionen zu steuern. Während lysosomales mTORC1 vor allem durch endogene Aminosäuren aktiviert wird, die innerhalb dieser Organellen entstehen, reagiert zytoplasmatisches mTORC1 auf Aminosäuren, die von außen kommen.
In einer weiteren, unabhängigen Studie fanden die Forscher heraus, dass es sich nicht um unabhängige Pools von mTORC1 handelt, die überall in der Zelle aktiv sind. Stattdessen sind es wahrscheinlich dieselben Komplexe, die zwischen den Lysosomen und dem Zytoplasma hin- und herpendeln. Konkret konnten die Forscher zeigen, dass mTORC1-Komplexe, die an der lysosomalen Oberfläche aktiviert werden, ihre eigene Freisetzung regulieren, um ihre anderen Ziele an anderen Orten zu erreichen. Die intrinsische Aktivität von mTORC1 ist also ein weiterer wichtiger Faktor, der bestimmt, wo es in der Zelle lokalisiert ist und wo es wirkt.
"Unsere Studien deuten darauf hin, dass es ähnlich dem Proteinnetzwerk, das mTORC1 in den Lysosomen reguliert und das in den letzten 15 Jahren entwickelt wurde, ein zusätzliches Signalnetzwerk geben muss, das es Zellen ermöglicht, die Verfügbarkeit exogener Aminosäuren im Zytoplasma oder anderswo zu erkennen. Unsere Arbeit beantwortet daher nicht nur einige bisher unbeantwortete Fragen auf diesem Gebiet, sondern eröffnet auch eine völlig neue Welt der Nährstoffsensorik und der mTORC1-Biologie", sagt Demetriades.
Konsequenzen für Rapamycin-Behandlungen
"Eine weitere mögliche Konsequenz unserer neuen Erkenntnisse ist, dass Rapamycin durch die Beeinflussung der Lokalisation von mTORC1 in der Zelle auch die Wirkung von mTORC1 auf seine verschiedenen Ziele in den Lysosomen und anderswo unterschiedlich beeinflusst. Eines Tages könnten wir in der Lage sein, gezieltere Medikamente zu entwickeln, die mTORC1 spezifisch an bestimmten Stellen in der Zelle hemmen und damit bestimmte Zellfunktionen beeinflussen, während andere unbeeinflusst bleiben", fügt Demetriades hinzu.