Vom Labor bis in die Klinik 

Arbeiten zwischen Grundlagenforschung und translationaler Medizin

Joachim David Steiner arbeitet als Postdoc in der Abteilung von Adam Antebi sowie als Arzt in der Abteilung für Nephrologie. Im Interview spricht Joachim über die Schnittstelle zwischen biologischer Grundlagenforschung und medizinischer Forschung, die er während seiner Arbeit erlebt.

Joachim, du arbeitest an der faszinierenden Schnittstelle von medizinischer Forschung und biologischer Grundlagenforschung. Erzähl uns etwas über das Projekt, an dem du arbeitest. Wie verknüpft es Grundlagenforschung und medizinische Forschung?

Die "translationale Medizin" hat in der Regel das Ziel, vom "Labortisch bis zur Klinik" zu gehen - d.h. mit einer Entdeckung in der Grundlagenforschung zu beginnen, die schließlich in der Patientenversorgung angewendet werden kann. Bei meinem Projekt ist es genau umgekehrt: Ich gewinne Proben von Patienten, die sich am Universitätsklinikum einer Herzoperation unterziehen und in eine klinische Studie aufgenommen werden. Ein Teil der Kohorte wird auf eine bestimmte Diät gesetzt, während der andere Teil keine Intervention erhält. Während die klinische Studie den direkten Vorteil einer ausgewogenen Ernährung für die Gesundheit untersucht, können wir in meinem Projekt diese Proben nutzen, um auf zellulärer Ebene zu verstehen, warum eine bestimmte Ernährung vorteilhaft sein könnte. Im Idealfall könnten wir so erkennen, wie eine Intervention - von der dank jahrelanger Sammlung von Patientendaten bereits bekannt ist, dass sie wirkt - mechanistisch funktioniert. Die Entschlüsselung dieser Mechanismen könnte uns dann wiederum ermöglichen, diese Maßnahmen weiter zu verbessern.

Erzähl uns ein wenig über dich! Was ist dein Hintergrund und was hat dich dazu bewogen, einen Postdoc in der Grundlagenforschung zu machen, anstatt klinische Forschung zu betreiben oder als Arzt zu arbeiten - und warum hast du dich für das Thema Altern entschieden?

Bevor ich entschlossen habe, Mediziner zu werden, hatte ich bereits theoretische Physik studiert und wollte auf diesem Gebiet forschen. Die Grundlagenforschung ermöglicht mir in gewisser Weise, beiden Interessen nachzugehen. Ich arbeite nach wie vor als Arzt in der Nephrologie, wo ich einige Wochenend- und Nachtschichten absolviere. Zu der Abteilung gehört auch eine geriatrische Station, auf der viele Patienten mit altersbedingten Krankheiten behandelt werden. Daher erfahre ich aus erster Hand, wie stark diese Krankheiten das Leben vieler Patienten beeinträchtigen können. Im Patientengespräch müssen wir zudem regelmäßig zugeben, dass wir nicht perfekt erklären können, warum eine bestimmte Krankheit auftritt – und noch weniger, wie man sie behandeln kann. Deswegen ist es mir sehr wichtig, unser Wissen auf dem Gebiet des Alterns zu erweitern.

Die Welt ist mit den Folgen der COVID-19-Pandemie konfrontiert. Die Suche nach einem geeigneten Impfstoff, und damit der lange Weg von der Grundlagenforschung zur medizinischen Anwendung, rückt plötzlich ins Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit. Was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen, wenn Grundlagenforschung in der Klinik angewendet werden soll?

Ich stehe sowohl am Anfang meiner Postdoc-Zeit im Labor als auch meiner Assistenzzeit im Krankenhaus – daher ist meine Erfahrung damit recht gering. Ich glaube jedoch, dass begrenzte Zeit und ethische Bedenken zwei der größten Herausforderungen sind. Erstens dauert es zwangsläufig sehr lange - oft mehr als ein Jahrzehnt - bis eine in der Grundlagenforschung gemachte Entdeckung in der Patientenversorgung angewendet werden kann. Daher können Patienten, die an einer Studie teilnehmen, möglicherweise selber nicht von diesen Entdeckungen profitieren - und Ärzte könnten denken, dass ein Mitwirken in der Grundlagenforschung letztendlich denjenigen Patienten, die sie derzeit behandeln, nicht helfen wird. Das können wir in der gegenwärtigen Pandemie beobachten: Es wird erwartet, dass Behandlungsmöglichkeiten wie ein erfolgreicher Impfstoff quasi augenblicklich entdeckt werden. Kommen wir zum zweiten Punkt: Während es in der Grundlagenforschung mitunter ausreicht, an einer plausiblen Hypothese zu arbeiten, müssen wir in der klinischen Praxis sehr vorsichtig sein und sicherstellen, dass eine potenzielle Behandlung nicht schädlich ist, bevor wir sie etablieren. Deshalb sind die Anforderungen an die Umsetzung von Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung in die klinische Praxis zu Recht sehr streng.

Aus der Sicht eines Mediziners - was sind deiner Meinung nach die größten Alterungsprobleme, mit denen die Gesellschaft derzeit oder in Zukunft konfrontiert wird?

Die enormen Fortschritte in Biologie und Medizin haben zu einem drastischen demographischen Wandel geführt. Während altersbedingte Krankheiten früher relativ selten waren, ist ihre Prävalenz in den letzten Jahren exponentiell angestiegen. Fast alle Allgemeinmediziner behandeln regelmäßig zahlreiche ältere Menschen. Während jedoch für Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck evidenzbasierte Behandlungsleitlinien erstellt wurden, fehlen sie für viele altersbedingte Erkrankungen noch immer, da diese noch nicht so gut verstanden sind. Für die Zukunft wird es daher wichtig sein, dass wir klare Strategien für die tägliche Routine im Umgang mit diesen Erkrankungen formulieren – anstatt sich nur auf persönliche Erfahrungen zu verlassen.

Welche Bereiche der Alternsforschung werden - oder sollten - deiner Meinung nach in den nächsten Jahren stärker ins Blickfeld rücken? Welcher Bereich ist deiner Meinung nach am vielversprechendsten, um einen Ansatz zu entwickeln, der in die klinische Anwendung umgesetzt werden kann?

Auch wenn die Behandlungsmöglichkeiten immer weiter verfeinert werden, könnte ein rein symptomatische Behandlung letztendlich zu einem Zusammenbruch des medizinischen Systems führen. Daher glaube ich, dass wir uns mehr auf die Prävention konzentrieren sollten - was auch ein besseres Verständnis der Krankheitsentstehung voraussetzt. Wahrscheinlich bin ich durch mein eigenes Projekt voreingenommen, aber ich sehe das größte Potenzial in Veränderungen des Lebensstils, wie Ernährung oder körperliche Bewegung. Diese sind vergleichsweise einfach (und günstig) umzusetzen und bringen eindrucksvolle Vorteile für die Allgemeinbevölkerung. Damit Patienten solchen Ratschlägen folgen können, müssen sie jedoch auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und nicht nur auf allgemeinen Überzeugungen beruhen.

Ein Beitrag von Miriam Popkes.

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