Im Alter werden Gene schneller und schlampiger abgelesen
In einem großen Gemeinschaftsprojekt haben insgesamt sechs Arbeitsgruppen des Alternsforschungs-Exzellenzclusters CECAD der Universität zu Köln, des Kölner MPI für Biologie des Alterns und der Universität Göttingen quer durchs Tierreich festgestellt: Mit zunehmendem Alter nimmt die Ablesegeschwindigkeit von Genen zu, wobei die Qualität der Genprodukte leidet. Mit Ernährungseinschränkungen ließen sich diese Prozesse umkehren / Veröffentlichung in „Nature“.
Schnell, aber schlampig, so lässt sich beschreiben, wie sich das Ablesen der Gene im Alter verändert – das konnten sechs Arbeitsgruppen des Alternsforschungs-Exzellenzclusters CECAD der Universität zu Köln, des Kölner Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns und der Universität Göttingen quer durchs Tierreich nachweisen: Sie untersuchten den Transkriptionsprozess bei fünf verschiedenen Modell-Organismen und in verschiedensten Geweben und entdeckten einen neuen molekularen Mechanismus, der zum Altern beiträgt.
Das Altern beeinträchtigt ein breites Spektrum zellulärer Prozesse, von denen viele die Qualität und Konzentration von Eiweißen, den Proteinen, beeinflussen. Unter diesen Prozessen ist die Ablesung der Gene, die Transkription, besonders wichtig, da sie ein Hauptregulator des Proteinspiegels ist. Zwar war in der Wissenschaft bekannt, dass sich die Genexpression, also das Umsetzen der genetischen Information in Proteine, mit dem Alter verändert, und auch, dass die Kontrolle der Genexpression beeinträchtigt sein kann. Es war jedoch unklar, ob sich die Genauigkeit des Transkriptionsprozesses selbst mit dem Alter ändert und ob eine solche Änderung relevante Konsequenzen für Organismen haben würde.
Genau das konnten die Forschenden nun nachweisen, was Andreas Beyer, CECAD-Arbeitsgruppenleiter und Professor am Institut für Genetik der Mathematisch Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, enorm freut: „Das war ein großes, mehrjähriges Gemeinschaftsprojekt, an dem mehrere Teams des CECAD-Clusters und anderer wissenschaftlicher Einrichtungen beteiligt waren. Daten von fünf Arten mussten generiert und analysiert werden. Nur durch die Kombination unseres Fachwissens war es möglich, so viele Tierarten und Arten von Daten zu untersuchen.“
Tatsächlich erforschten die insgesamt 26 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genomweite, altersbedingte Veränderungen bei Transkriptionsprozessen in verschiedenen Organismen und deren Geweben: Fadenwürmern, Taufliegen, Mäusen, Ratten und Menschen. Und sie stellten fest: Die durchschnittliche Geschwindigkeit, mit der bei der Transkription das Ableseprodukt durch das Anhängen von RNA-Bausteinen, den Nukleotiden, wächst, nahm bei allen fünf Arten mit dem Alter zu. Zusammen mit dem höheren Tempo dieser Elongationsgeschwindigkeit (Pol-II-Geschwindigkeit) beobachteten die Forschenden auch Veränderungen beim sogenannten Spleißen, einem weiteren Arbeitsgang innerhalb des Ableseprozesses vom Gen bis zum fertigen Protein, bei dem das Ableseprodukt noch einmal verkürzt und zurechtgeschnitten wird.
Die Genauigkeit des gesamten Ableseprozesses ließ sich aber auch steuern und umkehren, etwa durch eine Ernährungseinschränkung oder Eingriffe in den Insulin-Stoffwechsel – beides Maßnahmen, die zur Verlängerung der Lebensspanne beitragen, wie seit vielen Jahren bekannt ist. In ähnlicher Weise verlängerte sich die Lebensdauer von Fliegen und das Teilungspotential menschlicher Zellen, wenn die Forschenden mit bestimmten Eingriffen das Ablesetempo verringerten.
Professor Beyer sagt: „Unsere Ergebnisse decken grundlegende molekulare Mechanismen auf, die der Alterung von Tieren und Eingriffen zur Verlängerung der Lebensdauer zugrunde liegen, und geben damit Hinweise auf mögliche Maßnahmen, wie wir in Zukunft zu einem gesunden Altern beitragen können. Dass Intervention, wie eine verminderte Kalorienaufnahme, sich auch auf molekularer Ebene in Form einer qualitativ besseren Gen-Ablesung positiv auf einen gesunden Alterungsprozess auswirken, konnten wir mit unserer Studie nun ganz klar belegen.“
Die Studie wurde am Alternsforschungs-Exzellenzcluster CECAD der Universität zu Köln, am Kölner MPI für Biologie des Alterns und der Universität Göttingen durchgeführt.