Mental Health First Aiders Program

Erste Hilfe für alle Beschäftigten in Krisen-, Stress- und Konfliktsituationen sowie bei möglichen psychischen Erkrankungen 

Das Mental Health First Aider (MHFA)-Programm gibt es seit Anfang 2021 am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns und wurde nun auch innerhalb der Cologne Graduate School of Ageing Research (CGA) etabliert. Es soll das Bewusstsein für psychische Erkrankungen schärfen, stigmatisierende Verhaltensweisen abbauen und die Handlungsfähigkeit und das Wissen über verfügbare Ressourcen stärken. Vor allem aber wollen wir allen unseren Mitarbeiter:innen und Doktorand:innen in Zeiten von Krisen, Stress, Konflikten und möglichen psychischen Erkrankungen erste Hilfe anbieten. Klara Schilling (CGA Doktorandin am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns) und Saygin Bilican (CGA Doktorand am CECAD-Forschungszentrum) sind seit Kurzem Erste-Hilfe-Kräfte für psychische Gesundheit sowohl für ihre Institute als auch für die CGA-Graduiertenschule. Wir haben mit ihnen gesprochen, um zu erfahren, warum sie sich für die Ausbildung entschieden haben und um von ihren Erfahrungen zu hören.

Klara und Saygin, könnt ihr erklären, was das Mental Health First Aider (MHFA) Programm beinhaltet?

Klara: Wir haben etwas über häufige psychische Krankheiten wie Depressionen, Angstzustände, Psychosen sowie Drogen- und Alkoholmissbrauch gelernt. In den theoretischen Teilen des Programms konzentrierten wir uns auf die möglichen Symptome, die sichtbar sein können. Aber der Kurs enthielt auch praktische Elemente, die uns die Möglichkeit gaben, in Rollenspielen zu üben, wie man respektvoll und achtsam auf Menschen mit psychischen Problemen zugeht.

Saygin: In meinem Fall war es ein einwöchiger Workshop, in dem wir über psychische Störungen und Drogenabhängigkeit aufgeklärt wurden. Wir wurden darin geschult, wie man bestimmte Verhaltensmuster erkennt, wie man auf die Person zugeht und wie man sie an weitere Hilfe verweist. Wir sind zwar keine Psycholog:innen, aber es war ein hilfreicher Workshop, um zu lernen, wie man mit der Situation umgeht und sich um die Person kümmert, bis professionelle Hilfe eintrifft, genau wie bei der körperlichen Ersten Hilfe.

Warum hast du dich freiwillig als MHFA ausbilden lassen? Warum denkst du, dass Erste Hilfe für psychisch Erkrankungen wichtig ist?

Klara: Ich halte psychische Gesundheitshilfe für ein sehr wichtiges Thema. Während meiner Zeit in Forschungseinrichtungen habe ich viele Menschen getroffen, die mit ihrer psychischen Gesundheit zu kämpfen hatten. Mir ist jedoch aufgefallen, dass die Menschen oft Angst haben oder sich schämen, darüber zu sprechen oder professionelle Beratung oder Therapie in Anspruch zu nehmen. Ich hoffe, dass MHFA psychische Probleme entstigmatisieren und dazu beitragen kann, dass sie in der Öffentlichkeit mehr Anerkennung und Beachtung finden.

Saygin: Auch wenn das Thema psychische Gesundheit bereits immer weniger tabuisiert wird, ist es für viele Menschen immer noch schwierig, sich damit auseinanderzusetzen. Ich habe den Eindruck, dass die meisten Menschen immer noch die Vorstellung haben, dass psychische Gesundheit nicht so wichtig ist wie körperliche Gesundheit. Zumindest so lange, bis sie selbst in einer Krise stecken. Wenn sie sich in dieser Zeit verloren fühlen oder Schwierigkeiten haben, die nötige Hilfe zu bekommen, gibt ihnen MHFA vorübergehend Halt und Orientierung. Anstatt sich also völlig hilflos zu fühlen, was die meisten von uns von Zeit zu Zeit in gewissem Maße empfinden, erleichtert es die Situation ein wenig, eine Kontaktperson zu haben.

Was hast du während des MHFA-Trainingsprogramms gelernt? Gibt es etwas, das du nach der Ausbildung anders siehst, verstehst oder angehst?

Klara: Mein Eindruck ist, dass ein großer Teil von MHFA auf dem rücksichtsvollen Umgang miteinander und der Fürsorge für die Menschen um dich herum basiert. Heutzutage neigen wir jedoch dazu, in Eile zu sein und diese grundlegenden sozialen Konzepte zu vergessen.  Natürlich vermittelt dir MHFA auch Wissen und Werkzeuge, wie du Erste Hilfe für Menschen in Not leisten kannst, und es geht dabei auch um ziemlich ernste Themen. Eines der Themen, über die wir gesprochen haben, ist Suizidalität. Eine Frage kam auf: Was tust du, wenn du mit jemandem sprichst und den Eindruck hast, dass diese Person Selbstmordgedanken hat? Wir haben gelernt, dass wir gezielt danach fragen können und in manchen Situationen sogar sollten, anstatt vage Andeutungen zu machen.

Saygin: Es ist wichtig zu verstehen, dass du ein(e) Ersthelfer:in bist. So gerne du der Person auch helfen würdest, ein falscher Ansatz, das Überschreiten von Grenzen oder Annahmen können die Situation noch verschlimmern. Außerdem ist es wichtig, dass du die Situation sorgfältig beurteilst und die richtige Einstellung hast und sie an den jeweiligen Fall anpasst. Genauso wie das Anlegen eines Druckverbandes einem Menschen mit einem Herzinfarkt nicht hilft, kann das Beharren darauf, sofort professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, dazu führen, dass die Person noch mehr zögert, wenn sie Zweifel daran hat. Es ist besser, die Situation mit der Person zu besprechen und alle Unklarheiten auszuräumen, die sie haben könnte. Ich stimme Klara auch voll und ganz zu, dass es wirklich überraschend war zu erfahren, dass ein offenes Gespräch über Selbstmord hilfreicher ist, als auf Zehenspitzen darum herum zu schleichen. Ja, es mag sich für den/die psychosoziale(n) Ersthelfer:in schwer anfühlen, aber es ist so wichtig, aus der Komfortzone herauszutreten, denn es kann das Leben eines Menschen retten.

Wie sollten Mitarbeiter:innen an euren Einrichtungen und CGA Doktorand:innen auf euch zugehen? Warum sollten sie sich an euch wenden, wenn sie noch zögerlich sind? Und was würdet ihr als erstes tun? Was sind die ersten Schritte, wenn die Person tatsächlich professionelle Unterstützung braucht?

Klara: Ich würde mich freuen gemeinsam einen Kaffee zu trinken und mir anzuhören, du mir mitteilen möchtest. Du kannst mich im Labor besuchen oder mir eine E-Mail schicken, falls du Interesse an einem Treffen hast. Ich kann mir vorstellen, dass es beängstigend ist, persönliche Dinge mit jemandem zu teilen, den du vielleicht nicht kennst und dich verletzlich zu machen. Aber ich hoffe, du kannst von diesem Austausch profitieren. Ehrlich gesagt, wärst du wahrscheinlich überrascht, wie viele Menschen professionelle Hilfe suchen und davon profitieren. Wusstest du, dass das MPI ein "Employee and Management Assistance Programme" hat? Das EMAP ist eine Kooperation mit dem Fürstenberg-Institut, die kostenlos und anonym ist und allen Mitarbeiter:innen der Max-Planck-Gesellschaft eine Sofortberatung bietet. Du kannst darüber im Intranet des MPI für Biologie des Alterns lesen. Dort anzurufen ist ein guter erster Schritt.

Saygin: Ich bin offen für alle E-Mails und persönlichen Besuche von Menschen, die meinen, sie bräuchten jemanden, mit dem sie direkt reden können. Da es keine Pauschallösung für alle gibt, müsste ich zunächst einmal zuhören und verstehen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mir sofort besser geht, wenn ich über meine Probleme spreche und mir jemand zuhört. Selbst das Gefühl, "sich etwas von der Seele zu reden", kann dir schon helfen, die Dinge klarer zu sehen, die Krise besser zu bewältigen und einen ersten Schritt zu ihrer Überwindung zu machen. Dann müssten wir über unsere Möglichkeiten der nachhaltigen Unterstützung sprechen, sei es professionelle Hilfe oder die Klärung von Zweifeln. Ich weiß, dass das z.B. Kölner Studentenwerk (KSTW) psychosoziale Beratung für Studierende in Not anbietet und das sind sehr freundliche Leute! Wir können den Termin gemeinsam vereinbaren oder sogar zum ersten Termin zusammen gehen.

Gibt es etwas, wovor du persönlich Angst hast oder was dir in deiner Position als MHFA unangenehm ist? Hast du bereits Erfahrungen mit Beratung oder Unterstützung, die du anbieten könntest?

Klara: Ich möchte nicht, dass uns jemand für Profis auf diesem Gebiet hält. Das sind wir nicht. Wir sind keine Therapeut:innen oder Psycholog:innen. Wir sind ausgebildete MHFA mit Hintergrundwissen über Erste Hilfe-Leistungen bei psychischen Krisen oder psychischen Erkrankungen und wir sind leicht ansprechbare Menschen, die sich um ihre Mitarbeiter:innen kümmern. Wir können dir helfen, mit den Fachleuten in Kontakt zu kommen, die das Wissen haben, um dein Leben tatsächlich zum Besseren zu verändern.

Saygin: Die Menschen müssen sich darüber im Klaren sein, dass Ersthelfer:innen ebenso wenig professionelle psychologische Hilfe leisten können wie sie einen chirurgischen Eingriff selbst durchführen können. Wir sind offen dafür, dir so oft zuzuhören, wie du es brauchst, aber es ist notwendig, dass dir ein Profi zuhört, wenn z.B. das Überwinden einer bestimmten Krise durch die Hilfe einer MHFA-Person die Dinge auf lange Sicht nicht besser gemacht hat.

Ein Beitrag von Daniela Morick

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